Digitalisierung

Künstliche Intelligenz – Zeitenwende für den Bildungsbereich?

Grüner Antrag zur schnelleren Vermittlung von KI-Funktionsweisen an Schüler*innen und Lehrkräfte

10. Februar 2023

Der Textgenerator ChatGPT, der eine datengestützte Künstliche Intelligenz (KI) ist, ist in aller Munde. Künstliche Intelligenz ist auch längst in den Schulen angekommen und kann auch nicht mehr daraus weggedacht werden. Die Landtags-Grünen zeigen in einem Dringlichkeitsantrag, was jetzt getan werden muss, um die Schulen für den Einsatz von KI im Unterricht vorzubereiten.

Es gibt verschiedene Arten von KI. Einige werden bereits seit Längerem in den Schulen bzw. von Schüler*innen verwendet. Eine dieser Anwendungen ist bettermarks. Sie zählt zu den adaptiven Lernsystemen. Das bedeutet, sie analysiert den Lernstand der Lernenden und erstellt Aufgaben mit der optimalen Schwierigkeit. Das motiviert zum Weitermachen. Zudem bekommen die Lernenden ein Feedback über die Richtigkeit ihrer Antworten, gegebenenfalls Hilfestellungen und Erklärungen, sowie weitere Übungsaufgaben, falls eine Wissenslücke diagnostiziert wurde. Wie bettermarks werden die meisten bisher in den Schulen verwendeten KI also vor allem zum Üben genutzt.

Doch seit November 2022 kann man von einer Zeitenwende für den Bildungsbereich sprechen. Denn ChatGPT und GPT-3 wurden zu diesem Zeitpunkt zur kostenlosen Nutzung freigegeben. ChatGPT und GPT-3 sind wie bettermarks KIs, die Daten als Grundlage für die Erstellung oder Anpassung von Inhalten nutzen. Das muss man wissen, um zu verstehen, wie die KI funktioniert und wo ihre Schwachstellen liegen. ChatGPT und GPT-3 sind KI-Sprachmodelle. Sie können also Texte zu bestimmten Aufgabenstellungen generieren. Wichtig ist nun, KI-Sprachmodelle als Chance für die Schulen zu begreifen und sie nicht aus den Schulen fernzuhalten, wie man es beispielsweise durch ein Verbot in New York versucht.

Darum fordern wir Grüne in unserem Dringlichkeitsantrag, dass Schüler*innen und Lehrkräften so schnell wie möglich die Funktionsweise von KI vermittelt bekommen. Die Lehrkräfte sind momentan aufgrund des Lehrkräftemangels überlastet. Zudem fühlen sich viele Lehrkräfte noch nicht versiert genug in Bezug auf die Funktionsweise der KI-Sprachmodelle, als dass sie diese bereits im Unterricht vermitteln könnten. Darum schlagen wir vor, eine Plattform bereitzustellen, auf der sich die Schulen mit Expert*innen für KI vernetzen können. So haben die Schulen die Möglichkeit, diese Expert*innen einzuladen, um so sowohl den Schüler*innen als auch den Lehrkräften die Funktionsweise zu verdeutlichen. Die Lehrkräfte werden somit entlastet.

Gleichzeitig müssen die Fortbildungen für Lehrkräfte im Bereich KI-Sprachmodelle schnell ausgeweitet werden. Denn der Unterricht muss sich durch die neuen Möglichkeiten verändern. Wichtig ist, dass die Lehrkräfte wissen, wie sie KI gewinnbringend in ihren Unterricht integrieren können. Dafür müssen sie die Möglichkeiten, aber auch die Risiken kennen. Im Januar fanden nur fünf Fortbildungen mit 500 Lehrkräften statt. Das ergab eine Anfrage von Max Deisenhofer, Sprecher für digitale und berufliche Bildung der Landtags-Grünen. Wir haben in Bayern über 100.000 Lehrkräfte. Und ChatGPT betrifft jede Lehrkraft und alle Fächer.

Sobald man über KI spricht, müssen auch ethische Fragestellungen mitgedacht werden. Im Unterricht ist das besonders wichtig. Die Europäische Kommission hat „Ethische Leitlinien zur Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) und Daten im Unterricht und beim Lernen für Bildungspersonal” im Oktober 2022 herausgegeben. Darin wurden vier ethische Hauptaspekte als Grundpfeiler der ethischen Nutzung von KI und Daten bei Lehre, Lernen und Bewertung erkannt: menschliches Handeln, Fairness, Menschlichkeit und gerechtfertigte Entscheidungen. Die Leitlinien sollen Lehrkräften helfen, zu verstehen, welches Potenzial die Nutzung von KI und Daten in der Bildung bietet und zugleich auf mögliche Risiken aufmerksam machen, damit Lehrkräfte KI-Systeme positiv, kritisch und ethisch verwenden und vollumfänglich ausnutzen können. Die Leitlinien sind ein wesentlicher Bestandteil des Aktionsplans für Digitale Bildung (2021-2027) der EU. Sie müssen den Lehrkräften bekannt sein. Darum soll das bayerische Kultusministerium die Schulen auf diese hinweisen. Das kann zum Beispiel über kultusministerielle Schreiben geschehen.

Data Literacy ist eine der Schlüsselkompetenzen im 21. Jahrhundert. Sie umfasst ein breit angelegtes Bewusstsein und Verständniszielbild in unserer Gesellschaft, dass Daten unser tägliches Leben bestimmen und, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Lösung einfacher wie komplexer Fragestellungen unserer Zukunft leisten (können).[1] Wenn Menschen nicht wissen, dass KI auf bestimmte Daten zurückgreift, um ein Ergebnis zu generieren, dann wissen sie auch nicht, wie sie das Ergebnis zu bewerten haben. Nur so kann beispielsweise Diskriminierung verhindert werden. Denn wenn beispielsweise in den Daten, auf die eine KI zurückgreift, Frauen nicht oder nicht als gleichwertig vorkommen, werden diese auch im Ergebnis nicht auftauchen. Darum muss Data Literacy so schnell wie möglich in den Lehrplänen aller Schularten verankert werden. Zudem muss sie verpflichtend in der Lehrkräfteausbildung festgeschrieben werden.

Außerdem muss die Lernwirksamkeit des gezielten Einsatzes von KI als Werkzeug im Unterricht untersucht werden. Dafür muss eine umfassende Studie in Auftrag gegeben werden. Es gibt bisher zwar zahlreiche vielversprechende Pilottests mit verschiedenen Prototypen zum besseren Lernen mit KI, aber nur wenige systematische Studien. Die meisten davon beziehen sich fast ausschließlich auf die kognitive Dimension. Darum ist es wichtig, mehr evidenzbasierte Ergebnisse über das Lernen mit KI zu erhalten.

Für die Schulen bedeutet der freie Zugang zu ChatGPT, dass sich der Unterricht und auch die Prüfungen verändern werden müssen. Denn Schüler*innen werden die KI natürlich verwenden, um Hausaufgaben zu machen und Übungsaufsätze zu schreiben. Man muss sich also überlegen, wie Aufgaben gestellt sein müssen, damit Schüler*innen interaktiv, kreativ und reflektiert mit KI arbeiten können. Wenn man einen Übungsaufsatz stellt, könnte man zum Beispiel eine Reflexion einfordern, in der Schüler*innen erklären müssen, ob und an welcher Stelle und warum sie dort ChatGPT eingesetzt haben. Auch andere KI wird, besonders im Ausland, schon erfolgreich im Unterricht eingesetzt: In Finnland lernen Schüler*innen zum Beispiel Fremdsprachen, indem sie dem Roboter „Elias“ selbst die entsprechende Sprache beibringen. Auch Hologramme von Zeitzeug*innen, denen Schüler*innen Fragen zu ihrem Leben stellen können, und die dann auf die Fragen antworten, sind ein weiteres Beispiel für einen zeitgemäßen Einsatz von KI. Hier ist die Politik gefragt, einmal Best Practice Beispiele an den Schulen bekanntzumachen. Und schließlich: Die Prüfungsformate zu modernisieren und an die zukünftigen technischen Möglichkeiten anzupassen. KI kann Lehrkräfte niemals ersetzen, aber sie kann den Unterricht als Werkzeug bereichern. Nutzen wir diese Chance und machen die Schulen jetzt fit dafür!


[1] A. Beaulieu & S. Leonelli in: Data and Society: A Critical Introduction S. 216/217, SAGE Publications Ltd, London, 2022.