Mobilität und Verkehr

Zwei Untersuchungsausschüsse eingesetzt

UAs zur 2. Stammstrecke und zum Deutschen Museum Nürnberg nehmen 2023 Arbeit auf

16. Dezember 2022

Im Bayerischen Landtag gibt es zwei weitere Untersuchungsausschüsse. Einen zur 2. Münchner S-Bahn-Stammstrecke und einen zum Deutschen Museum Nürnberg.  Die dubiosen Vorgänge und Kostenexplosionen werden nun endlich beleuchtet. Der Landtag stimmte fraktionsübergreifend dem Antrag von uns Grünen, SPD und FDP zu.

Untersuchungsausschuss zum Deutschen Museum Nürnberg

Der Untersuchungsausschuss zum Deutschen Museum Nürnberg beschäftigt sich u.a. mit Kostensteigerungen von einigen 1000 Prozent, der Missachtung von Warnungen hinsichtlich einer seriösen Ausfinanzierung, fehlende Ausschreibungen und möglichen Verstößen gegen das Vergaberecht, dubiosen Spenden, der Missachtung des Ressortprinzips und dem Übergehen der Kontrollmechanismen des Landtags. Es stellt sich die Frage: Wollte der damalige Finanzminister die Anmietung des Deutschen Museum Nürnberg um jeden Preis durchpeitschen?

Die Affäre um die Errichtung einer Außenstelle des Deutschen Museums in Nürnberg begleitet uns als Grüne Landtagsfraktion nun seit fast sechs Jahren. Als von dieser Initiative 2014 im Rahmen der sogenannten Nordbayerninitiative der CSU-Staatsregierung erstmals die Rede war, stand noch eine Anschubfinanzierung von acht Millionen Euro im Raum. Wenige Jahre später wurde daraus ein Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro bei einer Vollfinanzierung durch den Freistaat. „Wer immer das erdacht hat, spinnt“ entfuhr es damals dem CSU-Abgeordneten Thomas Goppel, als dies im Rahmen einer Sitzung des Wissenschaftsausschusses erstmals bekannt wurde – wohlgemerkt als alles längst schon unter Dach und Fach war. Der Landtag hatte damit keine Chance, steuernd einzugreifen.

Es dürfte sich damit um den teuersten Mietvertrag in der Geschichte Bayerns handeln, der zudem noch, wie mehrere Gutachten nahelegen, einseitig vermieterfreundlich ausgestaltet ist. Wie wir nach dem Bericht des Obersten Rechnungshofs von diesem Sommer wissen, belaufen sich die Gesamtkosten mittlerweile wohl schon auf 200 Millionen. Und das bei einem Mietobjekt, das nach Ablauf des Vertrags nicht einmal dem Freistaat oder dem Deutschen Museum gehört. Doch die Kostenexplosion ist längst nicht das einzige Problem. Bis heute ungeklärt sind ebenfalls die wirtschaftlich höchst fragwürdigen Entscheidungen zur Standortauswahl, zur Vertragsgestaltung und wie eine vom Deutschen Museum ursprünglich gar nicht angefragte Flächenerweiterung zustande kam, die letztlich die Kosten durch die Decke gehen ließen. Es gibt mittlerweile auch begründete Zweifel, ob überhaupt gültiges Vergaberecht beachtet wurde. Wahrscheinlich hätte es auch bei einem angemieteten Haus, das so auf den Nutzer zugeschnitten wurde, einem Bestellbau wie es fachlich korrekt heißt, eine europaweite Ausschreibung geben müssen und nicht eine freihändige Vergabe an einen stadtbekannten Nürnberger Immobilienmogul. Dass dieser wiederum kurz danach mehreren Großspenden an die CSU geleistet hat, gibt dem Ganzen noch ein ganz besonderes Aroma. 

Wir haben diese Vorgänge von Anfang kritisch begleitet. Doch unsere parlamentarischen Anfragen, Berichtsanträge und weiteren Parlamentarischen Initiativen wurden immer nur unzureichend beantwortet. Das geht nicht nur uns als Parlament so, sondern auch dem Bayerischen Obersten Rechnungshof, der wiederholt nachgefragt und auf sinnvolle Antworten der Staatsregierung bis heute warten musste. Wir haben hier ein Ausmaß an Hinhaltungen und Gemauere erlebt, das seinesgleichen sucht. Der dennoch seit Frühsommer 2022 vorliegende Zwischenbericht des ORH lässt jedoch an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und wertete auch Dokumente aus, die dem Landtag bislang noch unbekannt waren. Der ORH-Zwischenbericht zeigt auf, dass wesentliche Entscheidungen unter Umgehung der Geschäftsordnung der Staatsregierung einfach im Finanzministerium statt dem zuständigen Wissenschaftsministerium getroffen wurden. Welche Rolle das Deutsche Museum selbst, das eigentlich vom Freistaat unabhängig ist, dabei spielte, ist in vielen Teilen auch heute noch unklar.

Der Bericht liest sich in weiten Teilen wie ein Wirtschaftskrimi und lässt keinen Zweifel dran, dass im Zentrum diese Immobilienskandals der Extraklasse der damalige Finanzminister und heutige Ministerpräsident Dr. Markus Söder steht, der sich mit diesem Projekt offenbar ein Denkmal bauen wollte – koste es, was es wolle. Offenbar wurden bei diesem Projekt Ressortzuständigkeiten umgangen, Warnungen vor Kostensteigerungen wissentlich ignoriert und sämtliche Warnlampen und roten Ampeln mit Karacho überfahren. All dies können wir an dieser Stelle nicht so stehen lassen. Nach jahrelangem Tricksen und Täuschen der Staatsregierung sind wir zur finalen Bewertung gekommen, dass alle üblichen parlamentarischen Instrumente ausgereizt sind und nur die erweiterten Befugnisse eines Untersuchungsausschusses erfolgreich zur Aufklärung beitragen können. Als Parlamentarier*innen im Allgemeinen und als Opposition im Besonderen ist es unsere Pflicht, die Regierung zu überwachen.

Den Untersuchungsausschuss werden wir nutzen, um zu all diesen Punkten die Verantwortlichen für das Museumsprojekt zu vernehmen. Dazu zählt insbesondere Ministerpräsident Söder, der sich bisher um jegliche Aussage gedrückt hat. Die Öffentlichkeit hat Antworten verdient, wie dieses Projekt zum teuersten Mietvertrag in der Geschichte des Freistaats werden konnte.  Am 24. November 2022 hat die Grüne Landtagsfraktion daher zusammen mit SPD und FDP per Minderheitenvotum einen Untersuchungsausschuss beantragt, der am 14. Dezember 2022 vom Bayerischen Landtag einstimmig eingesetzt wurde. Für die Grüne Landtagsfraktion werden dabei Verena Osgyan und Ursula Sowa als ordentliche Mitglieder und Rosi Steinberger und Christian Zwanziger als stellvertretende Mitglieder im Einsatz sein.

Untersuchungsausschuss zur 2. Stammstrecke

Die Kosten für die 2. S-Bahn-Stammstrecke in München haben sich von 3,8 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf nunmehr 7 Milliarden Euro erhöht. Statt 2028 soll das für die Verkehrswende so wichtige Projekt nun neun Jahre später, erst 2037, in Betrieb genommen werden. Obwohl die bayerische Staatsregierung spätestens im Frühjahr 2020 von dieser Entwicklung wusste, informierte sie die Öffentlichkeit erst im Sommer 2022. Viele Fragen und Vorgänge rund um dieses Projekt sind noch offen. Nun wird ein Untersuchungsausschuss klären, ob der Staatsregierung ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist. Das haben wir Grüne, SPD und FDP beantragt. Die Landtags-Grünen werden im Untersuchungsausschuss 2. Stammstrecke vertreten durch Dr. Markus Büchler und Dr. Martin Runge.  Es geht insbesondere um die Fragen: Wann wusste die Staatsregierung von den Kostensteigerungen und Terminverzögerungen bei der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München? Hat sie irgendetwas unternommen, um diese katastrophale Entwicklung noch abzuwenden? Und warum wurde die Öffentlichkeit nicht informiert? 

Warum ein Untersuchungsausschuss - ist nicht ohnehin alles schon bekannt?

Nein, es gibt erheblichen Aufklärungsbedarf. Die Bevölkerung hat ein Recht zu erfahren, warum die CSU-Staatsregierung, warum Ministerpräsident Söder über zwei Jahre lang verschwiegen und vertuscht hat, dass Kosten und Zeitplan aus dem Ruder laufen. Die Staatsregierung hatte Zeit, sich zu erklären. Auch beim Sonder-Verkehrsausschuss am 10. Oktober 2022 hat der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter die Chance versäumt, Transparenz zu schaffen. Es gibt zudem eine Reihe von Unterlagen, die uns trotz diverser Anfragen bisher vorenthalten werden. Außerdem gibt es nicht nur interessante Akten, sondern auch eine Reihe von Zeug*innen, die Auskunft geben können, über die ominösen Vorgänge und Vertuschungen in Verkehrsministerium und Staatskanzlei. Das Ziel ist, offene Fragen noch in der laufenden Wahlperiode abzuarbeiten, damit die Wähler*innen noch vor der Landtagswahl 2023 Klarheit und Transparenz bekommen.

Der offizielle Fragenkatalog umfasst 72 Fragen in zehn Themenkomplexen. Dem Ausschuss werden Mitglieder angehören (CSU: fünf Mitglieder, Grüne: zwei Mitglieder, Freie Wähler: ein Mitglied, SPD: ein Mitglied, FDP: ein Mitglied, AfD: ein Mitglied). Die demokratischen Oppositionsfraktionen erwarten sich von den Regierungsparteien CSU und Freie Wähler volle Transparenz und Mitwirkung – auch um für künftige Großprojekte ein vergleichbares Fiasko zu vermeiden. Geplant ist neben vollständiger Akteneinsicht auch die Befragung mehrerer Zeugen, darunter Ministerpräsident Markus Söder und der frühere Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.

Die Aufklärung des Desasters ist nicht nur ein historisches Interesse, sondern politisch wichtig für die Zukunft. Es geht darum, wie ein derart eklatantes politisches Führungsversagen bei wichtigen Infrastrukturprojekten künftig verhindert werden kann.