Bildung und Wissenschaft

Dramatischer Lehrkräftemangel erfordert rasches Umsteuern

PK zur Lehrkräftebedarfsentwicklung für Grund- und Mittelschulen bis 2030 mit Anna Toman, MdL, und Thomas Gehring, MdL

29. Juli 2019

Der Lehrkräftemangel in Bayern ist hausgemacht. Die Stopp-und-Go-Personalpolitik der vergangenen Jahre der bayerischen Staatsregierung nach dem berüchtigtem Schweinezyklus rächt sich jetzt. Die Personaldecke an den bayerischen Schulen – besonders an den Grund- und Mittelschulen, auch an den Förderschulen – ist auf Kante genäht. Es kommt schon jetzt zu Unterrichtsausfällen und einer kontinuierlich hohen Arbeitsbelastung der Lehrkräfte. Viele Lehrerinnen und Lehrer überschreiten ihre Belastungsgrenze dauerhaft und werden krank. Im Schuljahr 2016/17 wurden laut unserer Anfrage (17/18557) in Grundschulbereich 7%, an den Mittelschulen 9,1% nicht mehr planmäßig erteilt. Kultusminister Piazolo spricht, laut Presse, von einem „momentanen Engpass.“ Unter den Bundesländern ist der Wettbewerb um gut ausgebildete Lehrer in vollem Gang. Die Länder locken Lehrkräfte nun vor allem mit Geld und beruflicher Sicherheit.

Sondermaßnahmen, um Lücken zu stopfen

Die Staatsregierung reagiert verstärkt mit Sondermaßnahmen: Auf Grund des weiterhin bestehenden erhöhten Bedarfs an Lehrkräften für Grund-, Mittel- und Förderschulen werden seit dem Schuljahr 2015/2016 (an Mittelschulen), 2016/2017 (an Förderschulen) bzw. 2017/2018 (an Grundschulen) Maßnahmen der Zweitqualifizierung angeboten. Aktuell nehmen im Bereich der Grund- und Mittelschule im Schuljahr 2018/2019 rund 1.440 Lehrkräfte an einer der Maßnahmen zur Zweitqualifizierung teil, davon begannen 675 neu.

Kernergebnisse der „Klemm-Studie“

In seinem Gutachten „Lehrkräftebedarfsentwicklung und Bedarfsdeckungsmöglichkeiten in den öffentlichen und privaten Grund- und Mittelschulen Bayerns zwischen 2017/18  und 2030/31“ untersucht Prof. Klaus Klemm zwei Varianten der Entwicklung: Die Deckung des Lehrkräftebedarfs bei Erhalt des Status quo und bei einer Reformvariante, die den Bedarf berechnet, der durch die Entwicklung der Ganztagesangebote und der Aufgaben der Inklusion (2. Lehrkraft) entsteht.

Wenn es in den kommenden Jahren nicht zu einer deutlichen Steigerung der Zahl neu ausgebildeter Grundschullehrkräfte kommen wird, werden jährlich bis zu 2.400 Lehrerinnen und Lehrer fehlen. In den Mittelschulen des Landes bietet sich ein vergleichbar düsteres Bild: dort werden zum Ende der zwanziger Jahre etwa 2.200 Lehrkräfte jährlich fehlen. Geht man davon aus, dass aufgrund der Ganztagsentwicklung und der Inklusion mehr Lehrkräfte nötig sind, fehlen 4600 und 3900 Lehrerinnen und Lehrer. Die bayrische Staatsregierung ist auf diese sich abzeichnende Krise bei Grund- und Mittelschulen nicht vorbereitet.

6 Punkte gegen den Lehrkräftemangel an Grund- und Mittelschulen

  1. Erfolgsquote für Studierende im Lehramt verbessern
    42 Prozent der Studienanfänger „gehen unterwegs verloren“. (Klemm-Gutachten) Die Gründe hierfür müssen analysiert werden und auf dieser Basis Möglichkeiten für eine Erhöhung der Erfolgsquote entwickelt werden. Unabdingbar ist eine gute Begleitung der Studierenden durch das gesamte Studium hinweg.
  2. Wechsel in Studium und Referendariat zu Lehramt Grund- und Mittelschule erleichtern
    Bis zum 1. Staatsexamen muss ein Wechsel zwischen den Lehramtsstudiengängen erleichtert werden, durch eine großzügigere Anerkennung von Studienleistungen und mit Angeboten Studienleistungen nachzuholen. Nach dem 1. Staatsexamen muss der Wechsel in das Referendariat Grund- oder Mittelschule von einem anderen Lehramtsstudiengang ermöglicht werden.
  3. Zweitqualifizierung dauerhaft gut ausstatten
    Viele Jahre noch werden Lehrkräfte anderer Schularten gut und zügig für Grund- und Mittelschulen „zweitqualifiziert“ werden. Dafür muss das System der Zweitqualifizierung dauerhaft mit guten Arbeitsbedingungen (Reduzierung der Unterrichtsstunden und Zeit für pädagogische Begleitung) für die jungen Lehrkräfte und einer entsprechenden Begleitung durch Seminare und Schulen ausgestattet werden.
  4. Mehr Studienplätze für Grundschullehramt an den Universitäten
    Die Ausbildungskapazitäten für die Lehrämter an Grund- und an Mittelschulen müssen in dem Umfang erhöht werden, der erforderlich sein wird, um den Bedarf in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre zu decken. Vorranging an oberbayerischen Hochschulen müssen mehr Grundschullehrkräfte ausgebildet werden, da dort aufgrund der Entwicklung der Schülerzahlen und der fehlenden Studienplätze schon seit Jahren Grundschullehrkräfte fehlen.
  5. Reform der Lehrkräfteausbildung
    Der starre Schulartbezug blockiert den flexiblen Einsatz der Lehrkräfte. Die einfache Formel „Lehramt gleich Schulart“ geht aber schon heute nicht mehr auf. Wir müssen die Lehrkräfteausbildung so zu reformieren, dass die Studierenden für mehrere Schularten qualifiziert werden. Das heißt: gemeinsames Grundstudium für alle Lehrämter und ein Lehramt Sekundarstufe I.
  6. Besoldung der Lehrkräfte an den Grund- und Mittelschulen verbessern
    Die unterschiedliche, schulformspezifische Besoldung der Lehrämter ist nicht nur historisch überholt. Wir setzen uns für ein Einstiegsgehalt für alle Lehrkräfte in der Gruppe A13 ein. Das ist eine Sache der Gerechtigkeit, steigert zudem die Attraktivität des Lehrberufs. Mittlerweile haben schon andere Bundesländer die Bezahlung nach A13 vorgenommen. In einem Stufenmodell kann das Einstiegsgehalt angehoben werden.

Hier ist das Gutachten zum Download