Bauen und Wohnen

Ökologische Bauwende

Die heutige Art zu Bauen ist nicht nachhaltig und muss grundlegend verändert werden. Doch wie schaffen wir eine ökologische Bauwende? Welche Bausteine stehen uns hierfür schon heute zur Verfügung?

Foto: Karen Köhler

25. März 2022

Die heutige Art zu Bauen ist nicht nachhaltig und muss grundlegend verändert werden! Bau und Betrieb von Gebäuden verursachen in Deutschland ca. 40 Prozent des CO2-Austoßes, 52 Prozent unseres Abfallaufkommens und verbrauchen 90 Prozent der mineralischen, nicht nachwachsenden Rohstoffe. Gleichzeitig schlummert im Bausektor aber auch ein enormes Potenzial zum Klima- und Ressourcenschutz, das es in Zukunft auszuschöpfen gilt.
Doch wie schaffen wir eine ökologische Bauwende? Welche Bausteine stehen uns hierfür schon heute zur Verfügung? Im Panel „Bausteine für eine ökologische Bauwende“ diskutierte die baupolitische Sprecherin Ursula Sowa der Landtags-Grünen mit Barbara Metz, Prof. Dr. Hanaa Dahy, Julia Mang-Bohn und Dr. Anna Braune über Möglichkeiten und Chancen: Von neuen nachwachsenden Rohstoffen wie Biokompositen, über Recycling, Energieeffizienz und Sanierung bis hin zu experimentellem Bauen und der Nachhaltigkeitszertifizierung von Gebäuden.

Die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, Barbara Metz, wies in ihrem Vortrag eindringlich darauf hin, dass bereits zum zweiten Mal in Folge die Klimaziele im Gebäudebereich verfehlt wurden. „Wenn es so weitergeht wie jetzt, werden wir im Jahr 2030 bei einer Ziellücke von über 150 Millionen Tonnen CO2 landen. Das zeigt den Handlungsdruck, den wir haben, hier im Gebäudesektor tatsächlich mit konkreten Maßnahmen auf den Weg zu kommen“, so Barbara Metz. „Die Antwort auf diese Problematik im Gebäudesektor ist aber sicher nicht: Bauen, bauen, bauen“, betont sie. Sondern es gehe darum, den Fokus auf den Bestand zu richten, auf Recycling und kreislaufgerechtes Bauen. Die aktuelle sicherheitspolitische Krise führt uns zudem mehr als deutlich vor Augen, dass wir raus müssen aus der Abhängigkeit aus Energieimporten, dass wir die Erneuerbaren Energien massiv ausbauen und Energie einsparen müssen. Und hier spielt der Gebäudesektor eine ganz wesentliche Rolle, betont Frau Metz. Die öffentliche Hand müsse hier zudem eine Vorbildfunktion übernehmen.

Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin für Forschung und Entwicklung bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. verwies in ihrem Vortrag ebenfalls auf das Potential des Gebäudebestands und auf den riesigen Leerstand. Im Jahr 2018 standen in Deutschland 1,7 Millionen Wohnungen leer. Das entspricht 4,2 Prozent des gesamten Wohnungsbestands. Dieses Potential sollte nicht ungenutzt bleiben. Stattdessen werden häufig einfach neue Wohnflächen ausgewiesen. Frau Braune betonte, dass wir bestehende Gebäude länger und effizienter nutzen und flexibel, langlebig und klimafreundlich aufwerten, ergänzen und aufstocken müssen. Dafür muss unser Gebäudebestand saniert werden. Die Sanierungsquote liegt aktuell allerdings nur bei 0,7 Prozent. Um einen klimaneutralen Gebäudebestand in 25 Jahren zu erreichen, bräuchten wir eine Sanierungsquote von 4 Prozent, das entspricht 760.000 Gebäuden im Jahr. Um die Fehlentwicklungen des Marktes in den vergangenen Jahrzehnten auszugleichen, fordert Frau Braune eine Qualifikationsoffensive und eine massive Ausweiterung der Förderung.

Die Architektin Julia Mang-Bohn stellte in ihrem Vortrag die Idee einer Gebäudeklasse „E“ vor. Sie plädiert für weniger Vorschriften, um einen freien kreativen Prozess zwischen Architekt*innen und Bauherr*innen anzustoßen. Ziel sei es, einen Weg aufzuzeigen, wie die Regeln des Bauens wieder auf den eigentlichen Kern, die Einhaltung der Schutzziele der Bauordnung, reduziert werden könne. „Mittels der neu einzuführenden Gebäudeklasse „E“, sollen all jene Versuche experimentell möglich sein, die dazu beitragen, nachhaltige Gebäude einfach und möglichst kostengünstig zu bauen“, so Mang-Bohn. Die Gebäudeklasse „E“, wie „einfach“ oder „Experiment“ oder „Europäisches Bauhaus“, ergänzt die bestehenden Gebäudeklassen der Bauordnung und ermögliche es Projekte einfach aber sicher auszuführen. „Ähnlich wie die Gründer des Bauhauses, die alle überlieferten Vorbilder und Standards hinter sich gelassen haben und mit seinerzeit ganz neuen Ideen das Design und das Bauen revolutioniert haben, so müssen auch Projekte des Neuen Europäischen Bauhauses, der Gebäudeklasse E, in einem freien, kreativen Prozess gefunden werden“, so Frau Mang-Bohn.

Bauingenieurin, Architektin und Juniorprofessorin Hanaa Dahy forscht zu Biomaterialien und Stoffkreisläufen in der Architektur an der Universität Stuttgart. Sie fordert ein Umdenken bei der Planung und dem Bau von Gebäuden. Auf der Suche nach Alternativen zu Beton und Stahl entwickelt, gestaltet und produziert sie eine Reihe innovativer nachhaltiger Bauprodukte, die auf internationalen Ausstellungen präsentiert werden und großes industrielles Interesse wecken. Diese Biokomposite bestehen aus Naturfasern wie Stroh, Flachs oder Hanf und haben den entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Werkstoffen, dass sie schnell nachwachsende Rohstoffe sind. Insbesondere Stroh ist eine Ressource, die fast weltweit verfügbar ist. Auf eine Tonne Weizen oder Reis komme meist mehr als eineinhalb Tonnen Stroh, als Reststoff wird er aber zumeist verbrannt. Das Potential von Biokompositen veranschaulichte sie u.a. an dem BioMat-Forschungspavillon in Stuttgart. Die modulare Schalenkonstruktion des Pavillion besteht aus leichten, einfach gekrümmten Elementen, die eine doppelt gekrümmte Schale bilden. Für die Konstruktion wurden natürliche Flachs- und Hanffasern verwendet, die durch industrielle Verfahren „bambusähnliche“ Struktur erhalten.

In der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmer*innen resümierte Andrea Gebhard: „Wir haben eigentlich alles in der Hand, es geht jetzt darum, es umzusetzen!“ und bekräftigt die Forderung nach klaren Vorgaben. „Ich selbst kann aus meiner Arbeit sagen: Ich starte oft als Adler und lande als Spatz auf dem Teller. Es ist meist so, dass die Bauherr*innen das Ökologischste und Tollste haben wollen, und dann wird bei Leistungsphase zu Leistungsphase runter geschraubt. Deshalb ist es jetzt notwendig die Gesetzesvorgaben zu haben und  auch die Fördermöglichkeiten.“


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